10 Jahre re:publica. Ein schönes Jubiläum. Die frühere Blogger-Veranstaltung mit 700 Teilnehmern hat sich zu einer der angesagtesten Branchentreffs der digtial natives und der Berufsdigitalen gemausert. Mit mittlerweile über 7000 Besuchern. Und, was mich besonders freut: 44% der Gäste sind Frauen! Welche andere Veranstaltung mit digitaler Ausrichtung kann da schon mithalten?
Natürlich musste die diesjährige re:publica größer, besser und cooler werden als bisher. Dazu wurden weitere Flächen auf der Station Berlin zugemietet und der Radius um die Bereiche Musik, Kunst und Mode erweitert. Klar. Sind ja auch alle von Content Creation und -Distribution, von Mediennutzung und -gestaltung betroffen. Die Menge der Events entsprechend überwältigend.
Wer vorab auf der Internetseite der re:publica das Programm studiert hat, dem standen schon nach kurzer Zeit die Schweißperlen auf der Stirn. Viel. Und bunt. Und nicht so schnell erfassbar. Und wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual.
Hier eine Mini-Auswahl der Themen
Die Müllabfuhr im Internet
People and Politics of Commercial Content, Moderation of Social Media
Was denken Jugendliche über #digitaleBildung?
Radio in Bewegung. Auf allen Wegen.
Snapchat für Erwachsene
Freedom of speech under Attack. Reports from the Frontlines.
Edward Snowden auf der Media Convention
Power Play – wie sich Games und Politik gegenseitig verändern.
StartUps in MusicTechs
Fish Bowl: Musicday
so macht’s die deutsch Sex-Bloggerszene
Publishing MeetUp
TV going global
Art: what is it god for?
Digital Dextox
Und das ist nur ein Auszug aus einem Tag auf der re:publica. Wie kann man ein solches Event beschreiben, zusammenfassen oder auswerten? Ich glaube, gar nicht. Und deswegen heißt das Stichwort, wie fast immer im Netz und im heutigen Leben: Individualisierung.
Folgerichtig ist auch der Titel dieses Blogbeitrags so gewählt: Meine re:publica ist nicht deine re:publica. Jeder zieht sich seinen eigenen Relevanzbereich heraus. Und ich gebe einen Bruchteil dieser Informationsflut, die mich noch länger beschäftigen wird, gern weiter:
Was ich mitbekommen habe?
Snapchat – die Erwachsenen interviewen Kids
Ein 14jähriger Schüler steht den Erwachsenen Rede und Antwort. Das fand ich schon sehr lässig.
Wie geht das mit Snapchat? Warum ist das so in? Sieht das nicht voll trashig aus? Erklärt euch!
Und das macht Joshua Arntzen dann folgendermaßen:
„Snapchat ist cool, weil der Content nicht erhalten bleibt. Er ist weg. Also zumindest aus dem öffentlichen Radius – nach 24 Stunden gelöscht. Sichtbar sowieso nur für 10 Sekunden. Und keine Eltern oder zukünftige Arbeitgeber können peinliche Fotos noch Jahre später finden.“
Angst, etwas zu verpassen?
„Nein, eigentlich nicht. Wär ja auch nicht schlimm, mal einen Witz nicht gehört zu haben.“
Stichwort Datenschutz?
Resignation und Gleichgültigkeit: „Wir leben halt im 21. Jahrhundert.“
Und wie können Marken mit Kids kommunizieren?
„Wenn die Inhalte cool und witzig sind, dann ist es egal, von wem sie kommen. Aber es muss echt und live sein.“
Und dann meldet sich der Vater des Interviewten und sagt, dass er jetzt immerhin den Snapchatnamen des Sohnemanns kennt. Aber:
„Ja, Papa – cool, aber ich hab schon ‚rausgefunden, wie ich welche Inhalte für welche Nutzer meiner Snaps sichtbar mache. Sorry.“
Freedom of speech under Atttack
In diesem Panel haben Vertreter aus der Türkei, Indonesien, Bangladesh und dem Iran von der „Front“ berichtet und mit Doku-Material gezeigt, wie die Freiheit, sich im Internet zu äußern, gezielt und kontinuierlich unterdrückt wird. Brutale Bilder, echte Geschichten und die Darstellung des täglichen Risikos für Blogger aus diesen Ländern, haben die ganze Coolness und den Trubel auf der re:publica wieder „in Relation gebracht“: Ich bin dankbar für alle Möglichkeiten, die wir haben und glücklich mit der Reichweite, die wir täglich erzielen. Wieder bescheidener in den Ansprüchen an mich selbst vielleicht auch.
Edward Snowden auf der re:publica
Ein Highlight war sicherlich auch die Live-Schaltung zu Edward Snowden nach Moskau. Der Saal völlig überfüllt. Der Whistleblower ein Held für viele Teilnehmer auf der re:publica. Obwohl es beeindruckend ist, Snowden quasi live zu erleben, wirklich Neues gab es dabei nicht zu erfahren. Was eigentlich auch zu erwarten war – wenn der Wirkungsradius auf das Geben von Interviews und das Mitmischen via Twitter beschränkt ist.
Trotzdem: Er warnt immer wieder vor Datenmissbrauch. Und: Enttäusch sei er von Deutschland. Durch seine Aktion sei kein Menschenleben gefährdet worden, aber eine Einreise nach Deutschland ist immer noch nicht möglich. Asylanträge in 21 Ländern stehen derzeit aus. Und obwohl er die NSA Affäre ins Rollen gebracht hat, wirkliche Veränderungen sind seit dem kaum eingetreten.
Schaukeln mit 360 Grad Ausblick
Und was viele Besucher (wie mich) auch begeistert hat, das war eine Schaukel. Natürlich nicht nur eine Schaukel, sondern inklusive einer 360 Grad Brille, die man aufsetzen konnte. Und schon schaukelte man sich in ein Palmen-Strandparadies. Erholung pur, soweit das Auge ringsherum reichte. Herrlich.
Und doch ein Fazit
Diese Messe spiegelt jedes Jahr aufs Neue und unverkennbar die Tendenzen unserer digitalisierten Gesellschaft wider. Denn genau wie im Netz lassen sich ALLE Themen finden und die Masse an Möglichkeiten und Informationen ist nicht mehr zusammenfassbar. Warum sollte es auf einer Konferenz dazu dann anders sein?